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D´OMI & I

Das SchnitzerlGate & die ewige Einsicht

 

Und da saßen wir nun – bei unserem Schnitzerl – Totenstille – unheimlich irgendwie und ich hab das Gefühl, dass die Nachbarn vis a vis meine Gedanken hören können als sie aussteigen aus dem Auto und ins Haus gehen.

 

Es gab Ärger im MädlsParadies. Dafür gibt es immer wiedermal die unterschiedlichsten Gründe – der meistgebuchte Grund hat allerdings immer mit „der Einsicht“ zu tun. Die Einsicht, die das Omile definitiv nicht mehr erlernen wird. Denn 95 ist und kann nie das neue 70 sein. Sie tut aber einfach mal so. Wie früher halt.

An einem Samstag wird geputzt & aufgeräumt. Gewaschen und eingekauft. Und zwar ganz genau bis 17 Uhr – da ist dann Feierabend – weil´s der Herrgott so will. Vorbereitenderweise auf Sonntag wie sich das mit dem Herrgott versteht.

 

Also es geht halt nicht mehr so wie früher.

Und das einzusehen, ist wahrlich schwer für sie. An guten Tagen, sprich an denen – wo sie meint sie könne beim Nachbarsmädchen ihr Fahrrad wieder holen und einfach „a Ründele dreiha“ – an diesen Tagen packt sie meistens die Putzwut. Gestern – ich komm nachhause gegen 15 Uhr – hat sie ALLE Schubladen in der Küche rausgezogen, also so komplett halt. Auf die Arbeitsflächen gekippt und die Inhalte der Laden fein säuberlich auf den Tisch geschlichtet.

Jetzt fragen sich definitiv alle, das was ich mich gleich in der ersten Sekunde auch gefragt hab. Im letzten Sommer die Schulter gebrochen und jetzt Laden ausfädeln und so – ernsthaft??? Ok, das wär dann ja noch das geringere Problem gewesen.

 

Soll ich es tun? Ok, ich riskier ein Wort.

Omile – bitte mach dann Schluss für heute – ich seh dir an, dass du müde wirst. Sie hebt in Zeitlupe ihren Kopf, schaut mich an, reisst so ein klitze kleines bisschen die Augen auf und meint: „Däs moansch jetz abr nid ernscht odr??“ Doch Omi – das wird dir zu viel bis du fertig bist. Oder, wir machen´s gemeinsam. Sie drauf: „Du gosch jetz amol gi ikoufa, weil i bruch no Brösl und übrhaupt muass i des do seall irumma, sus find i´s Züg nid“. Gut Omi, Brösln sind da. Wir brauchen keine. „Wurscht, das muass i trotzdem seall maha“. (Guter Versuch mit den Bröseln, aber das war nur Taktik. Sie hat längst bemerkt, dass es ihr zu viel werden könnte, will es sich aber einfach nicht eingestehen.)

Ich fange an zumindest das ausgeräumte Besteck in unserer Zwergenküche zu waschen – dazu ernte ich aber nur ein: „Heeee – heasch nid ghört – i mach das seall fürtig“. Okeeee – ich geb auf. Verzieh mich in den oberen Stock. Als ich ca. 1 Stunde später wieder runter komm, liegt sie „i dr Stuba“ auf dem „Kanapee“. Hat einen hochroten Kopf und sieht mich mit aufgerissenen Augen an. Und ich weiß auch gleich was los ist.

 

Der Blutdruck ist bei knapp 200.

Die Augen sind Glasig und das Gesicht rot gefleckt. Nitro Spray in Action, damit wir das hier wieder unter Kontrolle bekommen. Ich sage kein Wort. Sie jetzt natürlich auch nicht mehr. Schweigend gibt’s dann noch Vorarlberg Heute im TV & die Nachrichten, danach beginnt der „bettfertigmach“ Prozess – und dann kommt was immer kommt.

Sie weiß, dass es nicht besonders schlau war so viel zu tun, sie hat ein schlechtes Gewissen und weiß auch, dass ich Recht hatte. Und wenn sich diese Erkenntnis oder besser gesagt der Hauch einer Einsicht bei ihr breit macht, dann will sie plaudern. Ganz viel nämlich, sie fängt an von den unterschiedlichsten Dingen zu erzählen. Nix ist mit schlafen. Ich sitze auf der Bettkante im „eisbärentiefgekühlten“ Schlafzimmer.

Eine Weile hör ich ihr zu, aber spätestens als ich das dritte Mal niesen muss: „Omile alles gut – du brauchst weder ein schlechtes Gewissen zu haben, noch bin ich dir böse.“ Was dann kommt ist wiedermal MimikZirkus verdächtig – sie zaubert mit ihren Augen einen Halbmond. Es tut mir weh beim hinschauen, gleichzeitig muss ich mir das Grinsen verkneifen. Und ich frage mich – kann dieses Augenrollen auch die Ursache für den Bluthochdruck sein? Ich gehe schlafen & hoffe, dass sie sich gut erholt.

 

Sie schläft. Ich schlafe.

Mit offener Schlafzimmertüre natürlich, damit ich höre, sollten die Medikamente nicht nützen & sie nach mir ruft. In der Nacht gibt es dann ein paar Mal (Fehl)Alarm. Und deshalb schlaf ich dann gegen 6.00 so richtig ein. Puhhh…das hab ich gebraucht.

08.25 – als ich runter geh über die Stiegen, höre ich schon wie in der Küche fleißig ein gutes Filet zu dünnen Schnitzerln „verklopft“ wird. Ich mache mir einen Kaffee. „Omi, magst du dich ein bisschen zu mir setzen, kochen kann ich dann später“. Sie negiert was ich sage. „Omile, setz dich doch her zu mir – tommr a klä vrzella“. Und daaaaaaaaann – ich kann euch sagen, vollste Körperspannung und die Augen auf Flipperautomatik eingestellt – s´Omile geht innerlich durch die Decke. Wer jetzt aber glaubt, dass auch das aus ihrem Mund kommt, nachdem sie ihn leicht geöffnet hat – Fehlanzeige.

 

Dann folgt die „Ansprache“.

„Möadile, wer raschtet der roschtet und a klä kocha kamr nid schada“ (Wie immer ist mir klar, dass sie recht hat – aber es warad wegen der Einsicht – halt auch das mit Maß und Ziel zu machen). Omile, zu sagen ich könnte nachvollziehen wie schwer es ist weniger bis gefühlt gar nicht zu arbeiten, weil man mit 95 halt doch schon eher zur „älteren Generation“ gehört, wäre falsch. Ich kann es definitiv nicht nachfühlen, aber bitte lass uns das hier jetzt gemeinsam machen. Du tust dir keinen Gefallen & so etwas wie gestern Abend bzw. gestern Nacht, wollen wir doch eigentlich nicht so gerne haben, richtig?

 

Wir können das miteinander – irgendwie halt – so gut es geht.

An dieser Stelle sei gesagt, dass ich mir ganz sicher bin, dass es aus therapeutischer & psychologischer Sicht ganz viele gute Ansätze gäbe, ihr das anders – vielleicht besser – zu erklären. Es ist ein Thema das uns beide seit 11 Jahren begleitet, seit meine Mama gestorben ist und das Omile großartige Selbstversorgerin mit grandioser Unterstützung diversester Einrichtungen ist. Und ehrlich gesagt hab ich gefühlt auch schon alle (ja wirklich alle) Varianten ausprobiert, mit ihr dieses Thema zu besprechen.

Irgendwann hat sich bei mir die Gelassenheit eingestellt. Sie kann es nicht & wird es nie können. Weniger zu tun – bis hin zu nichts. Muss sie auch gar nicht. Das Omile kommt aus einer Bregenzerwälder Familie in der die Kinder so viel mitgeholfen haben und so schnell zu kleinen Erwachsenen wurden, wie wir es uns heutzutage gar nicht mehr vorstellen können.

Ich bin fein damit. Mit dem Wissen, ich kann sie unterstützen wo es geht – wenn sie aber nicht will, dann ist es auch einfach gut so wie es ist. Denn ihre Einsicht, sich öfters mal auszuruhen und sich hinzulegen, kann ich ihr nicht lernen. Denn das wäre dann ja nicht ihre Einsicht. Und sowieso hab ich meine eigene Einsicht – sie machen zu lassen, wie sie es für gut befindet. Schwer genug, wenn man merkt, dass der Körper nicht mehr so will, wie der Geist eigentlich noch vor gibt zu müssen.

 

Zurück zum Schnitzerl Gate.

Ich durfte genau gar nichts tun. Wohl grad extra & zum Trotz. Ich durfte mich daneben hinsetzen und ihr beim Kochen zusehen. Und das war – mmmhhhh, wie soll ich das beschreiben – ich musste einfach die ganze Zeit schmunzeln. Als hätte sie mal kurz Alarm gegeben an alle ihre Muskeln und Knochen – packt euch zsamm, richtet euch auf & lasst mich als große starke Frau dastehen. Mein Omile – das mir bald nur noch bis zur Schulter geht. Sie legt eine Disziplin an den Tag wenns sein muss – never seen before. Und ich wage heute zu vermuten, dass wir vielleicht doch langsam aber sicher einen MiniGedanken an ihren 100. Geburtstag riskieren dürfen.

Tisch gedeckt und begonnen zu essen und da sitzen wir nun – friedlich, denn sie hat bekommen was sie wollte und durfte alleine fertig kochen. Lächelnd – als hätte sie unlängst erst einen großen Sieg errungen.

Und schweigend – in dieser Stille von der ich der festen Überzeugung bin, dass die Nachbarn meine Gedanken hören können.

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